Wenn ich Fachveröffentlichungen oder Zeitungsartikel zum Elterngeld lese, stelle ich immer wieder fest: Die Berichterstattung ist häufig viel zu allgemein und einseitig. Als Beispiele für Elterngeld-Kombinationsmöglichkeiten nach dem neuen Elterngeld Plus und bei Rechenexempeln werden nämlich fast ausschließlich angestellte Eltern herangezogen. Das geht jedoch an der Lebenswirklichkeit vorbei, oder? Hallihalllo, es gibt auch werdende Eltern bzw. Mütter, die Unternehmerinnen sind, ein Start-Up, Online-Shop, Blog oder anderes Business mit einer tollen Geschäftsidee gründen, ja vielleicht sogar Festanstellung und Selbständigkeit miteinander kombinieren! Und das sind keine „Exotenfälle“, denn gerade bei vielen Müttern entsteht in der Elternzeit der Wunsch nach beruflicher Veränderung, der häufig dazu führt, dass eine selbständige Tätigkeit aufgenommen wird. So entstand auch die „Mompreneurs“-Bewegung, zu der ich vor einiger Zeit auch hier auf dem Blog die Serie „Wie werde ich eine Mompreneur?“ gestartet habe.
Nachdem sich bei mir die Anfragen zum Thema Selbständigkeit und Elterngeld in den letzten Monaten gehäuft haben, habe ich vor kurzem in der Mompreneurs-Facebook-Gruppe dazu aufgerufen, Probleme und Fragen rund um das Thema Elterngeld und Selbständigkeit zu posten. Eigentlich wollte ich dazu einen kurzen und knackigen Blogeintrag schreiben – aber die Reaktion war so groß, dass ich beschlossen habe eine neue Themenreihe zu starten.
Bereits zu der Bemessungsgrundlage – also zu den Einkünften, die für den Elterngeldbezug herangezogen werden, gab es viele Fragen, vor allem generell zur Definition der Einnahmen und zum Wirtschaftsjahr, welches für die Elterngeldhöhe maßgebend ist, aber auch ganz konkret: Was passiert, wenn ich im während des Bemessungszeitraums bereits Elterngeld für ein älteres Kind bezogen habe?
Die gesetzliche Grundlage findet sich in den §§ 2b Abs. 2 und 2d Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), die ich jetzt mal versuche in verständlicher Form aufzudröseln:
1. Das Einkommen, dass für die Elterngeld-Höhe maßgeblich ist
Gemäß § 2d Abs. 1 BEEG ist für die Berechnung des Selbständigen-Elterngeldes das Einkommen maßgeblich, dass sich aus der „monatlich durchschnittlich zu berücksichtigenden Summe der positiven Einkünfte“ … „vermindert um die hierauf entfallenden Steuern und Sozialabgaben“ ergibt. Das so ermittelte Einkommen wird dann auch als „Gewinn“ bezeichnet (angelehnt an die Begrifflichkeiten des Steuerrechts).
Das Gesetz unterscheidet dabei 3 Gewinneinkunftsarten, und zwar Einkünfte aus:
- Land- und Forstwirtschaft
- Gewerbebetrieb
- selbständiger Arbeit
2. Die Ermittlung des Einkommens und der Bemessungszeitraum
Bei der konkreten Ermittlung des Einkommens wird – zur Verwaltungsvereinfachung und Verfahrensbeschleunigung der Behörden – auf die in deinem Einkommenssteuerbescheid ausgewiesenen Gewinne abgestellt. Der Bemessungszeitraum ist dabei der steuerlich letzte abgeschlossene Veranlagungszeitraum vor der Geburt deines Kindes. Im Klartext heißt das: Maßgebend ist der letzte Einkommenssteuerbescheid aus dem Jahr vor der Geburt deines Kindes (vorausgesetzt du hast ausschließlich selbständig gearbeitet).
Beispiel: Wird dein Kind in 2016 geboren, ist der Einkommenssteuerbescheid aus 2015 maßgebend.
Falls du auch zu den Kandidaten wie ich gehörst, die ihre Steuererklärung immer auf den allerletzten Drücker abgeben, kann es sein, dass der Einkommenssteuerbescheid noch nicht vorliegt. In diesem Fall kannst du dein Einkommen durch andere Unterlagen „glaubhaft“ machen, d.h. durch den Einkommenssteuerbescheid aus dem vorangegangen Jahr, oder durch eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung.
3. Verschiebung des Bemessungszeitraumes
Der Bemessungszeitraum kann gemäß § 2b Abs. 2 BEEG in Ausnahmefällen auf Antrag auf den vorangegangenen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungseitraum verschoben werden. Ein Ausnahme liegt in folgenden Fällen vor
- Elterngeldbezug für ein älteres Kind
- Beschäftigungsverbot während der Mutterschutzfristen/Bezug von Mutterschaftsgeld
- Krankheit, die durch die Schwangerschaft bedingt war.
Wenn du mehrere Tatbestände erfüllst, können die Zeiträume auch mehrfach vorverlagert werden. Die Vorverlagerung gilt dann für alle Einkunftsarten (selbständig und nichtselbständig).
Beispiel: Dein Kind wird in 2016 geboren, 2015 hast du noch Elterngeld für ein älteres Kind bezogen. In diesem Fall kannst du auf Antrag das Jahr 2014 als Bemessungszeitraum wählen.
Wichtig ist, dass du dir zunächst anschaust, ob du einen der o.g. Ausnahmetatbestände erfüllst. Wenn ja, dann solltest du vergleichen, in welchem Jahr mehr Gewinn erzielt worden ist. Den Antrag auf Vorverlagerung des Bemessungszeitraumes bei der Elterngeldstelle solltest du nur dann stellen, wenn du in dem vorangegangenen Zeitraum tatsächlich mehr Gewinn erzielt hast als während des regulären Zeitraums.
4. Ermittlung des Einkommens während des Elterngeldbezugs
Von der Bemessungsgrundlage zu unterscheiden ist der „Bezugszeitraum“, also der Zeitraum, in dem du das Elterngeld beziehen wirst. Die Elterngeldstelle möchte dazu auch Unterlagen haben, aus denen hervorgeht, wie hoch deine Gewinne voraussichtlich sind. Entscheidend sind dabei die Lebensmonate des Kindes.
Beispiel: Wenn du vom 08.03.2016 – 08.03.2017 Elterngeld beziehst, müssen die Angaben exakt für diesen Zeitraum, also vom 08.03.2016 – 08.03.2017 erfolgen.
§ 2d Abs. 3 BEEG legt fest, wie die Gewinnermittlung im Elterngeld-Bezugszeitraum zu ermitteln ist. Im Gesetz steht, dass die Gewinnermittlung mindestens den Anforderungen des § 4 Abs. 3 des Einkommenssteuergesetzes entsprechen muss. Das heißt konkret: Eine vereinfachte Darstellung des Gewinns durch die Berechnung des Überschusses der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben („Einnahmen-Überschuss-Rechnung“) reicht. Die Betriebsausgaben werden dann von der Elterngeldstelle pauschal mit 25 % in Abzug gebracht. Wenn du buchführungspflichtig bist, also dein Unternehmen z.B. in der Rechtsform einer GmbH betreibst, dann reichst du die Bilanz ein.
WICHTIG: Bezüglich der Betriebsausgaben besteht ein Wahlrecht – d.h. du kannst auf Antrag statt der Pauschale auch deine tatsächlichen Ausgaben bei der Elterngeldstelle vorlegen – das macht Sinn, wenn diese höher als 25 % der Einnahmen sind.
SMART-MAMA-TIPP
Elterngeld für Selbständige wird fast immer unter Vorbehalt gezahlt. Nach Auszahlung des Elterngeldes fordert dich die Elterngeldstelle auf, deine tatsächliche Ausgaben im Bezugszeitraum nachzuweisen. Ich musste dazu immer meinen Steuerbescheid vorlegen. Falls du doch Einkünfte im Elterngeld-Bezugszeitraum erzielen solltest, empfiehlt es sich ein Teil des Elterngeldes vorsichtshalber in dein Sparschwein zu stopfen – denn in diesem Fall kann es dazu kommen, dass du später Elterngeld zurückzahlen musst.
15 Kommentare
Heike Nuphaus
4. März 2016 at 20:49Klasse, vielen Dank für diesen Artikel!
Jenny
24. März 2016 at 10:20Hallo liebe Sandra,
merci für den Einblick! Genau dieses Thema steht bei uns gerade an – ich bin gerade dabei den Antrag auf Neuberechnung des Elterngeldes für meinen Mann fertig zu machen. Hintergrund: Er hat vom 17.1. bis zum 17.3. Elternzeit genommen, unsere Tochter ist im Juni 2015 geboren, also noch alte Regelung. Jetzt sagte mir die Dame, sie brauche eine GuV von Januar, Februar und März – eigentlich doch aber vom 17.1. bis zum 17.3., oder? Er hat in der Zeit zwar gearbeitet (unter 30 Wochenenstunden), muss aber jetzt erst die Rechnungen schreiben und erhält das Geld entsprechend auch erst später. Meine Frage: Soll er die Rechnungen ggf. erst im April schreiben? Damit fallen sie ja ganz sicher aus den GuVs raus. Man weiß ja nie…
Alles Liebe
Jenny
Ach ja, ein PS hab ich noch: Wie wird eigentlich negativer Gewinn verrechnet? Oder zählt das dann als 0-Einkommen während des Elterngeldbezugs?
Jennifer
6. Mai 2016 at 22:04Duhuu, sag mal… Wie ist das mit der Verschiebung beim 2. Kind, wenn man auf Basis der Selbstständigkeit berechnet wurde? Also theoretisch gibt es 5 Monate (plus Mutterschutz), die nicht verschoben werden können. Die restlichen werden dann aber… wie gerechnet?
Corinna
25. Juli 2016 at 20:02Hallo, vielen Dank für deine Hinweise, sehr nützlich! Was ich noch ergänzen möchte: man kann beim Elterngeldbezug auch Pausen machen (muss nur immer mindestens 2 Monate hintereinander nehmen und natürlich kann man Basiselterngeld nur in den ersten 14 Lebensmonaten beanspruchen) und dann z.B. die Rechnungen entsprechend stellen – denn in den Pausen kann man verdienen so viel man will. Es gilt das Zuflussprinzip, d.h. für den Gewinn während des Bezugszeitraums wird nur das herangezogen, was auch während der Bezugszeit aufs Konto geflossen ist. Das kann man also durchaus steuern.
smart-mama
31. Juli 2016 at 15:02Liebe Corinna,
vielen Dank für deine hilfreiche Ergänzung 🙂 Zum Verdienst während des Elterngeldbezuges und zum Zuflussprinzip schreibe ich demnächst noch einmal ausführlich. LG, Sandra
Nicole
10. September 2016 at 16:44Servus Sandra,
ich bin gerade über Facebook auf dem Blogartikel gelandet. Nur eine Verständnisfrage: Ich bin jetzt in Elternzeit und erziele Einkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit. Betrachtet die Elterngeldstelle später den Gewinn der einzelnen Monate oder wird alles (Gewinne und Verluste) wie im Steuerbescheid zusammengerechnet und dann über die Monate ein Durchschnitt verteilt?
lg nicole
smart-mama
23. Oktober 2016 at 23:50Liebe Nicole, dazu habe ich eine Rückfrage: Meinst du das im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage oder im Hinblick auf das Einkommen, dass evtl. während des Elterngeld-Bezugszeitraumes bezogen wird? LG, Sandra
Carina
28. November 2016 at 13:05Liebe Sandra,
ich bin mir etwas unsicher ob alle Einkunftsarten bei der Elterngeldberechnung berücksichtigt werden. Vielleicht hast du damit Erfahrung. Bemessungszeitraum wird bei uns vorraussichtlich 2015 sein – hier sitze ich gerade an der Steuererklärung. Da ich einen Geschäftswagen fahre, zählt steuerlich 1% des Listenpreises meines Autos als Privateinnahme. Dies wird bei’m Steuerbescheid ja auch so berücksichtigt. Gibt es hier Probleme beim Bezug des Elterngelds? Also dass dies nicht als Einnahme gewertet wird? Ich habe leider weder vom Steuerberater noch von der Elterngeldstelle eine Auskunft bekommen und möchte hier eine Nachzahlung vermeiden. Liebe Grüße Carina
MoniK
15. März 2017 at 20:21Hallo Sandra,
Interessanter Artikel. Danke dir! Ich habe zum Bemessungszeitraum noch eine Frage. Ich bin selbständig und über die KSK versichert. Meine Tochter ist zum 10.1.2017 geboren. Mein Mutterschutz begann am 28.11.2016. Wieviel schwangerschaftsbedingte Einkommenseinbußen muss man haben, damit der Bemessungszeitraum verschoben werden kann? Anscheinend reicht die Mutterschutzzeit in meinem Fall nicht aus.
Jette
16. August 2017 at 15:03Liebe Sandra,
vielen Dank für deine tolle Arbeit! Eine Frage habe ich aber noch: Du schreibst in deinem Artikel „…Maßgebend ist der letzte Einkommenssteuerbescheid aus dem Jahr vor der Geburt deines Kindes (vorausgesetzt du hast ausschließlich selbständig gearbeitet)….“ Wie ist es denn, wenn ich nicht ausschließlich selbstständig gearbeitet habe? In meinem speziellen Fall: Ich arbeite in diesem Jahr als Angestellte und habe nebenher kleine Einnahmen aus einer Selbstständigkeit. Die möchte ich ausbauen und habe daher zum 31.12. gekündigt, um danach ausschließlich selbstständig zu sein. Nun bin ich allerdings schwanger (YAY!) und der Stichtag liegt Ende März. Das heißt, wenn ich Elterngeld beantrage, bin ich nur noch selbstständig. Wird dann auch auf das Wirschaftsjahr 2017 geschaut oder werden dann die letzten 12 Monate herangezogen??
smart-mama
21. September 2017 at 23:00Liebe Jette,
bei „Mischfällen“ vor der Geburt wirst du wie eine Selbständige behandelt. Wenn dein Baby also 2018 zur Welt kommt, gilt grundsätzlich das Wirtschaftsjahr 2017.
Heike
14. September 2017 at 10:56Hallo liebe Sandra,
ich verstehe den Zusatz „vermindert um die hierauf entfallenden Steuern und Sozialabgaben“ nicht ganz.
Wenn ich noch keinen Steuerbescheid aus der Elternzeit habe, aber eine Übersicht meines zu erwartenden Gewinnes, dann kann ich doch von diesem Wert einfach die zu erwartende Einkommensssteuer abziehen und habe dann den Betrag, der für die Berechnung des Elterngeldes genommen wird, oder?
Liebe Grüße,
Heike
smart-mama
21. September 2017 at 22:50Liebe Heike, klar, wenn du noch keinen Steuerbescheid hast, dann ist kannst du die Schätzung als vorläufigen Wert nehmen. Du kannst auch mal den Elterngeldrechner des Familienministeriums zu Rate ziehen und da deinen geschätzten Gewinn eingeben, dann hast du einen ungefähren Wert. Lieber Gruß
Andrea
1. März 2018 at 10:44Hallo liebe Sandra!
Ich finde Deine Erläuterungen sind tatsächlich die verständlichsten im Netz! Vielen Dank dafür!
Eine Frage beschäftigt mich noch: Wie ist es in den Monaten von Elterngeld PLUS Bezug mit erzielten Einnahmen. Werden diese auch wie bei den „Basismonaten“ mit den Ausgaben im gesamten Bezugszeitraum verrechnet oder nur auf den jeweiligen Monatsausgaben gegenübergestellt? (Und darauf dann der ermittelte Gewinn bzw. Verdienstausfall berechnet?) Also sprich, kann ein „Gewinn-Ausreißer“ in den Elterngeld PLUS Monaten auch das Elterngeld in den Basismonaten beeinflussen?
Ich danke Dir schon mal vielmals im Voraus!
Andrea
Corona-Krise: So vermeidest du Nachteile beim ElterngeldSmart Mama | Smart Mama
22. März 2020 at 12:45[…] ist auch im Hinterkopf zu haben, dass man bei bestimmten Voraussetzungen beantragen kann, dass das vorherige Jahr als Bemessungsgrundlage herangezogen wird – z.B. bei einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung und dadurch bedingtem […]