Vermischtes

#Proparents : Lasst uns gemeinsam die Diskriminierung von Eltern im Job stoppen!

Bestimmt hat der eine oder andere von euch schon mitbekommen, dass ich im Januar eine Kampagne gegen Elterndiskriminierung im Job initiiert habe. Ziel ist, „Elternschaft“ als Diskriminierungsmerkmal in § 1 in das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) – unserem Anti-Diskriminierungsgesetz aufzunehmen.

Wie kam es zu der Gründung von #proparents?

Ich arbeite jetzt schon mehr als 10 Jahre als Anwältin und habe mich, wie ihr wisst, vor allem auf Arbeitsrecht für Eltern spezialisiert. Täglich begegnen mir Geschichten wie diese: 

„Nach Offenbarung meiner Schwangerschaft wurde ich nicht mehr zu wichtigen Meetings eingeladen.“

„Ich habe heute erfahren, dass ich nach der Elternzeit nicht mehr meine frühere Tätigkeit ausüben kann. Diese wurde zwischenzeitlich von einer anderen Person besetzt. Mir wurde angeboten, künftig eine weniger verantwortungsvolle Position auszuüben, oder einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben.

„Am ersten Tag nach der Elternzeit habe ich ohne nähere Begründung eine Kündigung erhalten. Erst vor ein paar Monaten erfolgten Neueinstellungen in vergleichbaren Tätigkeiten.“

„Mein Chef hat mir letztens gedroht, dass er für mich keine Zukunft in der Firma sieht, wenn ich weiter so häufig wegen meiner kranken Kinder fehle“.

„In meiner Firma ist es nicht gerne gesehen, wenn Männer Elternzeit nehmen. Mein Chef hat mir durch die Blume gesagt, dass ich meine Beförderung vergessen kann, wenn ich Elternzeit einreiche…“ 

Ich bemerkte bei meiner Arbeit, dass eine Generalklausel, die Eltern vor jedweder Benachteiligung im Job schützt sowie ein klarer gesetzlicher Auftrag an Arbeitgeber:innen ihre Unternehmen familienfreundlich auszugestalten – fehlt. Dieser Schutzauftrag ist eigentlich Sinn und Zweck unseres Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Doch dieses ist in seiner aktuellen Fassung leider lückenhaft und nicht mehr zeitgemäß (darauf komme ich gleich noch zurück).

Von der Idee zur Kampagne

Auslöser etwas aktiv gegen Elterndiskriminierung zu tun und das Thema in der Öffentlichkeit zu verbreiten, war ein Gespräch mit Arbeitsminister Hubertus Heil am 1. September 2020, zu dem mich die Initiative „Elterninderkrise“ eingeladen hatte. Vor dem Hintergrund der Corona-Krise stellte ich ihm die Fragen ob es denn nicht an der Zeit wäre ein Diskriminierungsmerkmal „Elternschaft“ im AGG zu verankern. Wir merkten im Gespräch, dass der Gedanke in keinster Weise auf der politischen Agenda stand, jedoch auf Interesse stieß.

Kurz danach rief mich Karline Wenzel, Mitgründern von Elterninderkrise an und schlug vor, aus dieser Idee mehr zu machen. Ich war sofort begeistert. Wir schickten unzählige Whatsapp-Nachrichten Hin- und Her, bis wir einen passenden Hashtag fanden, erstellten ein Eckpunktepapier und eine Webseite – und natürlich tauschten wir uns mit vielen wunderbaren Menschen, die sich für Eltern engagieren, politisch aktiv sind, oder familienfreundlicher Arbeitgeber:in sind, aus.

Nach hunderten Stunden ehrenamtliche Arbeit war es dann so weit: am 6.1.2021 ging unsere Webseite live. Rückblickend weiß ich gar nicht, wie wir so etwas zwischen Lockdown, Homeoffice- und Homeschooling-Wahnsinn auf die Beine stellen konnte… Und vor allem ohne uns coronabedingt jemals live getroffen zu haben.

Wir erhielten sofort sehr positives Feedback zu der Kampagne und dank einer sehr engagierten Journalistin von Gruner und Jahr wurde das Magazin Brigitte auf uns aufmerksam und war Feuer und Flamme. Einige Wochen später stand fest: proparents macht gemeinsame Sache mit der Brigitte, Brigitte Mom und Eltern. Wir planten ein 11-seitiges Dossier, sprachen mit Protagonist:innen, die auf dem Cover des heute erscheinenden Heft zu sehen sind, gewannen noch viele wunderbare prominente Unterstützer hinzu – und beschlossen tatsächlich noch eins drauf zu setzen: Und zwar eine Petition bei openpetition.

Aber bevor ich zu viel verrate (es ist noch so Einiges geplant), will ich euch gerne noch einmal genauer erklären, weshalb wir die Ergänzung im AGG unbedingt brauchen.

Warum wir ein Diskriminierungsmerkmal „Elternschaft“ dringend brauchen

Traurig, aber wahr: Bisher schützt das Gesetz Eltern kaum vor Diskriminierung im Job. Das in Deutschland am 18.8.2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches auf mehreren EU-Richtlinie beruht, erwähnt das Merkmal Elternschaft nicht. In § 1 AGG werden verschiedene Benachteiligungsgründe geregelt: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ 

Für Eltern, die im Job aufgrund ihrer Elternschaft benachteiligt werden, kommt aktuell also lediglich das Merkmal „Geschlecht“ in Betracht. Das greift aber viel zu kurz, da es nur die Phase der Schwangerschaft und Entbindung umfasst – jedoch nicht den Zeitraum danach – z.B. den hochsensiblen Bereich des Wiedereinstiegs nach der Elternzeit. Zudem werden Väter komplett ausgeklammert. Das wird deutlich bei Benachteiligungen im Zusammenhang mit der Elternzeit: Diese kann sowohl von Vätern als auch von Müttern geltend gemacht werden und ist daher „geschlechtsneutral“. Ein Vater, der aufgrund der Inanspruchnahme von Elternzeit benachteiligt wurde, zum Beispiel weil er in den Keller zum Akten sortieren geschickt wurde, ist somit vom Schutzbereich des AGG ausgeschlossen.

Gerade in den so häufig vorkommenden Fällen der Kündigung am ersten Tag nach der Elternzeit, die z.B. mangels Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes zulässig sind, wenn das Unternehmen weniger als 10 Mitarbeiter:innen hat, würde eine klare gesetzliche Regelung helfen, Jobs zu retten. Denn, wenn eine Kündigung diskriminierenden Charakter hat, ist diese in der Regel unwirksam.

Was verbessert sich durch eine entsprechende Regelung im AGG?

  • Ein entsprechendes Gesetz würde klar und nachvollziehbar alle berufstätigen Eltern, unabhängig von Familienstand und vom Geschlecht, vor Benachteiligungen im Job schützen. 
  • Eltern hätten im Falle einer Benachteiligung ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 12 AGG) sowie Anspruch auf Schadensersatz (§ 15 AGG) unter Geltung erleichterter Beweislastregeln (§ 22 AGG). 
  • § 12 AGG, der Pflichten des Arbeitgebers wie z.B. Fortbildungen, Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen regelt, hätte zur Folge, dass Unternehmen ein neues Bewusstsein und eine neue familienfreundliche und diverse Unternehmenskultur schaffen und diese auch ernsthaft umsetzen. 
  • Eltern würden zudem auch im Zivilrechtsverkehr von Benachteiligungen geschützt, z.B. beim Abschluss von Mietverträgen (§ 19 AGG). 

Nicht falsch verstehen – uns geht es keinesfalls darum Arbeitgeber:innen mit Klagen zu überhäufen, es geht vielmehr darum Unternehmen zu verpflichten, ernsthaft Familienfreundlichkeit zu leben sowie Vorgesetzten, Gleichstellungsbeauftragten und Betriebsräte eine klare Agenda an die Hand zu geben. Da das scheinbar nicht von alleine funktioniert, wie die letzten Jahrzehnte gezeigt haben, brauchen wir neue Gesetze als Motoren!

Vor allem wäre die Anerkennung eines Diskriminierungsmerkmals Elternschaft aber auch eine wichtige gesellschaftliche Geste, die aktuell viel zu kurz kommt: Wir würdigen das, was Mütter und Väter leisten, indem wir ihnen einen besonderen gesetzlichen Schutz bieten.

Und so kannst du unserer Kampagne unterstützen

  • Bitte unterzeichne die Petition bei openpetition und teile sie fleißig! Wir müssen unbedingt die 50.000er Marke knacken, damit wir die Unterschriften dem Bundesrat überreichen können
  • Teilt und kommentiert fleißig unter diesem Beitrag und in den sozialen Netzwerken (gerne auf Instagram!) und erzählt allen Eltern, die ihr kennt, von unserer Initiative. 
  • Unter dem Hashtag #proparents und #gleichesrechtfüreltern möchten wir im Netz eine breite Diskussion zu der Fragestellung anregen: „Wie vermeiden wir künftig Benachteiligungen von Eltern in der Arbeitswelt?“ Jeder Like, jeder Kommentar zählt! 
  • Erzählt uns eure persönliche Diskriminierungs-Geschichte. Je mehr Geschichten zusammenkommen, desto besser. Denn das zeigt: Es handelt sich dabei nicht um traurige Einzelfälle, sondern um ein gesellschaftliches Problem! 
  • Hier erfahrt ihr alles über unsere Initiative, klickt gerne mal rein!

Das letzte Jahr hat gezeigt: Wir Eltern sind eine starke Community, die 2020 erst angefangen hat, auf sich aufmerksam zu machen. Lasst uns 2021 noch viel lauter werden! Lasst uns gemeinsam die (Arbeits-)Welt verändern. Eltern als Arbeitnehmer:innen dürfen einfach nicht mehr länger abgehängt werden!

Alles Liebe, 

eure Sandra

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